Mutter Hinweis auf Uhrzeit

Warum man Abschalten lernen muss.

Der Vater kommt ins Zimmer, während die Tochter gerade ein Spiel spielt: “Mach aus, es ist jetzt Zeit ins Bett zu gehen”. Das Kind fängt an zu protestieren. Ich denke diese Szene kennen viele von uns, sei es aus Sicht des Kindes, des Vaters oder eines Außenstehenden, dem eine Situation geschildert wird.

Schnell wird dann an dieser Stelle die Nase gerümpft und ein Zischlaut von sich gegeben, das Wort “Sucht” schwebt im Raum. Aber ist die Unfähigkeit Medien einfach ausschalten und weg legen zu können schon ein Zeichen von Sucht? Hier ist es wichtig, einmal genauer hin zu sehen, welche Gründe verantwortlich sein können, warum das Abschalten so schwer fallen kann.


Ein erster und sicherlich sehr wichtiger Grund, sind die Konzepte, die hinter den Spielen stehen. Spiele sind so konzipiert, dass sie Spieler möglichst dauerhaft binden. Am offensichtlichsten bewusst ist uns das sicherlich bei Online Spielen, speziell MMORPGs wie beispielsweise World of Warcraft. Warum das so ist, liegt sicherlich auf der Hand: je länger Spieler an ein Spiel gebunden werden, desto länger kann man eben auch Geld damit verdienen. Welche Strategien solche “Games-as-a-Service” dafür nutzen kann man in diesem Artikel von Max Doll nachlesen.

Darüber hinaus gibt es aber auch andere Strategien, die einen dazu bringen sollen, weiter zu spielen. Dinge, die viel subtiler und unbewusster funktionieren. Nehmen wir beispielsweise die Super Mario Spiele. Sie sind unterteilt in verschiedene Welten und Level. Natürlich versuchen wir, ein Level zu beenden. Sobald wir das geschafft haben, zeigt uns eine kleine Animation, wie der nächste Level, die nächste Welt, die nächste Herausforderung frei geschaltet wird und dort auf uns wartet. Das ist wie eine gute Serie, die jede Folge mit einem Cliffhanger enden lässt.

Nicht nur Kindern fällt es dort schwer zu widerstehen, auch Erwachsene haben hier oft ihre Schwierigkeiten. Dieses Prinzip kann man auch bei anderen Medien beobachten. Beispielsweise YouTube. Würden wir nur das Video sehen, fiele es uns sicherlich leicht, einfach abzuschalten, sobald das Video vorbei ist. Aber wir sehen oft nicht nur das Video, wir sehen auch weitere, speziell auf uns angepasste Vorschläge am Rand, im Vollbild auch am Ende des Videos und für die ganz Faulen spielt per “Autoplay” einfach direkt das nächste Video (das kann man übrigens abschalten, empfehle ich an dieser Stelle jedem, der es nicht hat).


Aber neben den Mechaniken, die Spiele selbst mitbringen, können auch andere Faktoren das Abschalten erschweren, auf die wir Eltern direkt Einfluss nehmen können:

  1. Der Zeitpunkt:

Nicht alle Spiele sind so, dass man einfach jederzeit abschalten könnte. Nehmen wir das Beispiel Mario, wird mitten im Level verlangt abzuschalten, fällt dies vermutlich noch schwerer. Viele Spiele funktionieren auf diese Weise, die Spielzeit wird unterteilt in Runden, Level, Partien oder auch dem Weg zwischen zwei Speicherpunkten. Mittendrin abschalten kann zum Verlust von bereits erarbeitetem Fortschritt führen. Von außen kann man nun mit einem “na und” kontern, aber stellt euch vor, ihr habt gerade 2 Stunden den wichtigsten Punkt eurer Bachelorarbeit geschrieben ohne zu speichern und nun schaltet jemand einfach ab.

Wenn ihr wisst der Zeitpunkt kommt, dass euer Kind abschalten muss, kündigt das rechtzeitig an. Besser als “in 10 Minuten machst du aus” ist dabei immer, das Spiel und seine Mechaniken zu kennen und beispielsweise sagen zu können “dieses Level noch und dann mach bitte aus”.

  1. Der Grund:

Es gibt gute Gründe, warum man abschalten muss und weniger gute. Findet heraus, was für euer Kind ein guter Grund ist, was eher ein weniger guter. Zu sagen “mach aus, du musst ins Bett”, “mach aus, du musst Schulaufgaben machen” oder “mach aus, wir essen jetzt Kartoffeln mit Spinat” können (natürlich sehr subjektiv) eventuell nicht die besten Gründe sein. Einfach weil sich das Ausmachen dann als Strafe anfühlen kann, auch wenn es nicht so gemeint ist. Wobei wir bei einem absoluten No-Go sind: das Abschalten als Strafe nutzen.

Findet gute Gründe, warum das Kind abschalten muss. Gute Gründe sind beispielsweise Aktivitäten abseits von Medien gemeinsam zu tun, die dem Kind Freude bereiten.

  1. Die Endgültigkeit:

Dies ist vermutlich der Punkt, über den man am kontroversesten diskutieren kann, aber das Abschalten fällt wesentlich schwerer, wenn man nicht weiß, ob es eine Fortsetzung gibt. Da wären wir wieder bei den guten Serien mit Cliffhanger. Ihr wollt wissen wie es weiter geht, unbedingt, aber ob und wann eine neue Folge erscheint, ist absolut unbekannt. Da wünschte man sich doch schon, man hätte einfach nicht abgeschaltet sondern immer weiter geguckt (an dieser Stelle hinkt der Vergleich etwas, da dieses Weitergucken im Falle der Serie ja nicht möglich gewesen wäre, bei Spielen klappt das aber).

Wenn ihr eurem Kind also sagt, es soll abschalten, gebt ihm die Information, wann es dort weiter machen kann, gebt ihm die Sicherheit, dass es weiter machen kann.


Alle diese genannten Punkte sollen letztlich nur eins zeigen: Abschalten ist etwas, das man lernen muss. Das geht nicht selbstverständlich von allein, besonders jüngere Kinder, die früh mit Medien in Berührung kommen, müssen das erst lernen. Achtsam und kompetent begleitet durch ihre Eltern. Am besten funktioniert das, wenn ihr euren Kindern dabei helft, Abschalten mit positiven Erfahrungen und Gefühlen zusammen zu bringen.

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